Die Uhrenindustrie ist untrennbar mit der Schweiz verbunden, wo sie eine lange Geschichte hat. Dass auch Deutschland eine lebendige Uhrenindustrie hatte und hat, steht dahinter häufig zurück. Aus diesem Anlass blicken wir auf die lange Geschichte der Uhrenindustrie in Deutschland.
Grundlagen – Von der Kirchen- zur Armbanduhr
Uhren aus Deutschland finden sich schon im Mittelalter. Ihre Entstehung ist untrennbar mit der Kirche und ihrem Bedürfnis nach einem strukturierten Tagesablauf verbunden. Die ersten Räderuhren entstehen dementsprechend bei Mönchen und sorgen dafür, dass der Alltag aus Gebet und Arbeit einen strukturierten Gang nimmt. Uhren finden sich an Kirchen schon in den 1300ern. Eine eigene Profession ist deren Herstellung zu dieser Zeit allerdings noch nicht. Stattdessen fertigen Schlosser die Kirchenuhren. Diese besitzen schon in dieser frühen Zeit ein Schlagwerk, um die aktuelle Stunde akustisch anzuzeigen. Als Antrieb dieser frühen Räderuhren dienen Gewichte. Sie benötigen also einiges an Platz, um die für den Betrieb benötigte Aufzugenergie zu speichern. Das ändert sich erst ein Jahrhundert später, als erstmals Federn zum Speichern und Abgeben von Energie zum Einsatz kommen. Hiermit entstehen die Grundlagen für die Herstellung der Taschenuhr und damit für alle modernen, mechanischen Uhrenmodelle. In Deutschland entwickeln sich später unterschiedliche Hotspots der Uhrenherstellung.
Uhren aus dem Schwarzwald
Die ersten Uhren aus dem Schwarzwald lassen sich nicht genau datieren. Von ersten Uhrmachern in der Schwarzwaldregion ist in der Mitte des 18. Jahrhunderts die Rede. Schon zu dieser Zeit bestehen die Uhrenmodelle aus Holz. Die Verwendung des Werkstoffes setzt sich auch im 19. Jahrhundert fort. Der Grund dafür ist einfach: Zunftregeln für Uhrmacher. Diese schreiben vor, dass die Gehäuse von Uhren aus Metall nur bei den städtischen Uhrmachern entstehen dürfen. Uhren aus Holz durfte hingegen jeder fertigen, was zu einem Anstieg bei diesen Modellen führt. Neben dieser rechtlichen Notwendigkeit wirken sich weitere Faktoren positiv auf die Wahl von Holz als Werkstoff aus. So ist das Material nicht nur im Einkauf günstig, auch die Verarbeitung ist einfach und preiswert.
Holz als Innovationstreiber
Um die Holzuhren entwickelt sich schnell eine eigene Industrie. Uhrenteile und Verzierungen entstehen bei unterschiedlichen Herstellern und die Zusammenarbeit führt zu einer deutlich effektivieren Produktion im Vergleich zur Herstellung aller Bestandteile durch eine einzelne Person. Aus den kleinen Uhrenwerkstätten und Familienbetrieben, die in großer Zahl neu entstehen, entwickeln sich im Lauf des 19. Jahrhunderts große Unternehmen mit weitreichender (für die Zeit) Automatisierung. Die Uhren aus dem Schwarzwald etablieren sich damit weltweit als qualitative und bezahlbar. Dafür sorgen auch die Versandwege, die eine günstige Verbreitung ermöglichen. Die Uhrenindustrie kann sich auf das Versandnetz der Glasmacher verlassen und auf diesem Weg Uhren schnell und günstig verbreiten. Uhrenhändler entstehen ebenfalls und etablieren in den 1740ern ein eigenes Netz. Im 19. Jahrhundert professionalisiert sich die Uhrmacherei im Schwarzwald und eine spezielle Schule für Uhrmacher entsteht. Neue Standards und eine Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Departements lösen die häusliche Uhrmacherei ab. Während einige Familienunternehmen den Übergang schaffen, verschwinden andere und wieder andere bestehen in ihrer häuslichen Form weiter.
Wachstum
Die deutsche Uhrenindustrie floriert in den 1880ern, wobei eine Verlagerung in die württembergische Region stattfindet. Hersteller wie Junghans entstehen hier und begründen die Region als wichtiges Zentrum der deutschen Uhrenindustrie. Hilfreich war dabei der Blick nach Amerika, wo Uhren in einem industrialisierten Prozess entstehen. Dieser ist nicht nur kostengünstig sondern sehr effektiv, ohne die Qualität der Uhrenmodelle zu mindern. Die klassische Uhrenindustrie des Schwarzwaldes, die sich auf traditionelle Werte beruft, kann mit der Geschwindigkeit dieser Entwicklung nicht mithalten. Junghans aus Schramberg steht mitten im Zentrum dieser Entwicklung. Das Unternehmen schwingt sich schnell zum größten Uhrenhersteller der Welt auf. Das Produkt im Zentrum dieser Entwicklung ist ein einfacher Wecker, der in die Fußstapfen der klassischen Holzuhren tritt und der sich schnell zu einem ähnlichen Verkaufserfolg entwickelt. Daraus erwächst ein umfangreiches Portfolio unterschiedlichster Uhren für jeden Einsatzzweck. Der Erste Weltkrieg setzt der deutschen Uhrenherstellung jedoch ein vorläufiges Ende. Hersteller wie Junghans halten sich mit der Unterstützung der Rüstungsindustrie über Wasser. Die folgende Wirtschaftskrise und der Zweite Weltkrieg waren die letzten Nägel im Sarg zahlreicher Unternehmen.
Der Abstieg
Den wirtschaftlichen Aufschwung in den 50er- und 60er-Jahren kann die geschwächte Industrie nicht für sich nutzen. Stattdessen tauchen mit den ersten elektronischen Uhrenmodellen neue Probleme auf. Währenddessen sind die meisten Hersteller mechanischer Uhren noch mit vergleichsweise einfachen Produktionsmethoden unterwegs. Mit Unterstützung von Baden-Württemberg und unter Zuhilfenahme des Fraunhofer Instituts schaffen Hersteller wie Junghans den Übergang zu Quarzuhren. Wirtschaftliche Probleme sorgen wenig später allerdings für den Verkauf der neuen Werke an chinesische Unternehmen. Deren in großer Zahl produzierte Uhren bringen neue Probleme für die deutsche Uhrenherstellung mit sich. Die deutsche Uhrenindustrie in der Region hat sich bis heute nicht erholen können. Nur wenige Hersteller sind übriggeblieben. Auch hier ist Junghans wieder mit dabei.
Uhren aus Ostdeutschland
Ein anderer Teil der deutschen Uhrengeschichte spielt sich währenddessen im sächsischen Glashütte ab. Dort steht eigentlich der Bergbau im Mittelpunkt und sorgt für eine stabile wirtschaftliche Lage. Mit dem Ende des Bergbaus scheint auch das Ende der Stadt als solche besiegelt. Häuser verfallen und die Einwohner suchen in anderen Regionen nach neuen Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Ende des 18. Jahrhunderts kann durch Subventionen der Bergbau kurzfristig wiederbelebt werden. Anfang des 19. Jahrhunderts kommt schließlich das Ende der Bergbauindustrie. 1845 sorgt die Region allerdings mit neuen Anreizen dafür, dass sich die Uhrenindustrie in der Region einfindet. Ferdinand Adolph Lange legt mit der Ansiedlung den Grundstein für eine florierende Uhrenindustrie in der Region. Die Industrie wird zum neuen Antrieb der Stadt und entwickelt sich nach einem langsamen Start schnell weiter. Einer der bekanntesten, traditionellen Hersteller aus der Region ist A. Lange & Söhne. Auch Union Glashütte/SA ist weithin bekannt.
Die Besatzung und der Neuaufbau
Die größte Krise der Region ist das Ende des Zweiten Weltkrieges und die Übernahme der Hersteller durch die sowjetischen Besatzer. In den 1950ern folgt die Zusammenführung der unterschiedlichen Hersteller unter VEB Glashütter Uhrenbetriebe. Die einzelnen Hersteller und die Rechte an den entsprechenden Marken gehen in diesem neuen Betrieb auf. Qualitativ hochwertig bleiben die Uhren währenddessen weiterhin. Nach dem Mauerfall entstehen viele der alten Hersteller durch den Aufkauf der Markenrechte durch die vorherigen Eigner erneut. Die Region Glashütte gilt deswegen auch weiterhin als ein wichtiges Zentrum der Uhrenherstellung.